Zeitsprung:
Das haben vor vielen Jahren ihr 2 Jahre älterer Bruder und sie gemeinsam gesungen.Wobei sie immer die Rolle des Todes gesungen hat. Und er die Rolle des Rudolf der durch Suizid von der Welt ging.
Ein ganzes Jahr lang sangen beide es, es war sein liebstes Lied und wurde „rauf und runter“ gespielt. Kaum ein anderes Lied kam aus seinem Kassettenrekorder und nach Weihnachten aus seinem CD-Player. Wenn sie da war sangen sie über die Originale drüber her. Ein ganzes Jahr und dann ist er gegangen.
Er ist schon lange nicht mehr da, aber fehlt ihr an manchen stillen Tagen immer noch. Manches mal ist es ihr sogar als wäre es erst gestern gewesen. Dann ist es wieder so nah.
Die Gefühle die an jenen Tagen auf sie nieder prasselten, die Komik der Situation (anstelle zu weinen und Trauer zu zeigen, musste sie lachen. Es passte für sie, alle die es sahen schüttelten teilweise sogar zornig den Kopf), Die dummen Gesichter der "Familie" (der Therapeut hatte doch gesagt es sei „besser“ geworden), die vielen schuldigen Gesichter auf dem Friedhof (der war noch nie so voll gewesen, all jene die ihm jemals boshaft gegenübergestanden und ihn verspottet hatten). Aber leider auch das erschreckende, sich festsetzende Bild vom offenen Sarg (das Bild hat sie noch lange des nachts gequält).
Das Gefühl er käme jeden Augenblick um die Ecke, mit seinen ernsten Augen in denen nur noch Leere zu finden war. Mit seiner Hilfe die er ihr immer anbot egal wie schlecht es ihm selber ging. Mit seiner Beschützenden kraft. Sie könnte ihm dann wie damals alles erzählen, all das was sie erlebte, mit ihm darüber diskutieren und darüber lachen. Er wollte alles Leid von ihr fern halten.
Er wird nie wieder um die Ecke kommen, er wird auch nie wieder dieses Lied mit ihr zusammen singen. Auch kein anderes Lied. Denn er ist fort, fort für immer.
Aber er wird in ihren Gedanken sein, er zieht sie an manchen Tagen weit nach unten. Für viele unverständlich: Es ist doch schon so lange her, Tote soll man ruhen lassen etc. Diese Sprüche, so lieb sie auch gemeint sind, in ihren Augen und Ohren absoluter Schwachsinn. Man kann nicht einen Ausknopf drücken und schon lacht man wieder. Vielleicht haben manche den, aber sie hatte ihn nicht. Sie, die „kleine“ Schwester denkt darüber nach, lässt die Trauer auf sich zu kommen die sie an jenen Tagen einfach unterdrückte und steht sie durch.
Trauerarbeit nachzuholen so sagte man ihr, sei wichtig würde aber länger dauern als wenn man von Anfang an trauern würde. Bei den nächsten liebsten die verstorben sind hat sie sofort getrauert und es stimmt.
Das diese Trauer die sie überfällt meistens größer wird, wenn der Oktober naht mag daran liegen das es eine Person gibt, die, die dumme Angewohnheit hat ihr Schuldgefühle einzutrichtern. Sie erinnert daran, das es nun so und so viele Jahre her ist und sie sich doch am Grabe müsse blicken lassen, wie lange sie denn schon nicht mehr da war. (die Leute reden!).
Ob sie reden oder nicht, sie geht dann hin wenn sie es möchte, und eigentlich möchte sie gerne mal wieder hin und sei es auch nur für einen winzigen Moment. Sie möchte wissen, ob ihre Stärke die sie in der letzten Zeit durch all den „Schlamassel“ gewonnen hat sich auch dort bemerkbar macht. Bislang war sie noch jedes mal dort zusammengebrochen und man musste sie halten.
Irgendwann so sagt sie sich, möchte sie auch eine andere Stelle betreten die sie seit seinem Fortgang nie wieder betreten hatte, es war von beiden der Lieblingsplatz und genau an diesem Platz ist er von der Welt gegangen. Es mag komisch erscheinen aber irgendwie zieht es sie dort hin, aber die Angst das sie dort vollkommen wieder in ein Loch fällt war bislang größer als das andere Gefühl das sie anzieht. Eines Tages wird sie dieses Ziel erreichen und eine Rose für ihn dort ablegen. Denn diese Blumen mochte er. Wobei sie rot sein muss!
Das mag jetzt alles wie eine tot traurige Erinnerung klingen, wie etwas verzweifeltes, etwas das noch nicht überwunden ist. Kann man es überwinden? Es kann weniger werden und das wird es. Es ist schon bedeutend weniger. Aber es wird immer da sein.
Es ist für sie aber nicht nur eine traurige Erinnerung sondern auch mit einer stärkenden halt gebenden Erinnerung verbunden. Sie stand an seinem Grab und gab ihm innerlich ihr Wort:
Ich werde es allen zeigen. Ich werde es schaffen und verspreche dir, ich werde nie so diese Welt verlassen wie du es getan hast, ich werde meine Leben leben und glücklich werden.
Das schöne ist, die positiven Ereignisse häufen sich im Moment und sie ist tatsächlich glücklich, sie kann sich nicht erklären warum es solange dauerte bis sie glücklich wurde aber sie weiß das sie, egal wie traurig es manches mal noch werden wird, immer aufstehen wird. Notfalls mit der Erinnerung an dieses eine Versprechen.
Ihm konnte sie nicht helfen, sie hätte es nie gekonnt er wollte es, so vielleicht sogar, um es ihr etwas einfacher zu machen. Einmal sagte er zu ihr:
In „Meiner-Welt“ muss ich erst sterben um glücklich zu sein.
Nur sie hatte es gewusst...
Zeitsprung Ende.